Die Frankfurter Neue Presse hat am 27.4.2016 einen schönen Artikel über den Besuch unserer Partner in Frankfurt veröffentlicht:
Das Gedächtnis im Blick
Schüler aus vier Ländern forschen zum Thema Erinnerungen und waren im Max-Planck-Institut zu Gast
Bevor die Schülergruppe des Collège Jean Moulin aus Marmande bei Bordeaux das Schülerlabor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung betreten darf, heißt es erstmal Laborkittel anziehen. Dann werden die sieben Jungen und Mädchen in einen Raum mit Hochleistungs-Mikroskop geführt, wo ihnen Doktorandin Mantian Wang erklärt, womit sie und ihr Team sich täglich beschäftigen.
„Wir sehen uns hier vor allem Hirnschnitte an, färben die relevanten Bereiche ein und erforschen damit, wie Erinnerungen abgespeichert und wieder hervorgeholt werden“, erklärt die junge Frau auf Englisch, während die mitgereisten Lehrer der Gruppe alles in ihre Muttersprache übersetzen. Das Thema ist komplex und für Sophie, Chiara und Ryan etwas vollkommen Neues. Die drei beobachten fasziniert den Bildschirm, auf dem die Mäusehirne vielfach vergrößert in allen Einzelheiten zu sehen sind.
Pass für die Zukunft
„Heute ist der einzige Tag in dieser Woche, in der wir die Schülergruppen ganz bewusst getrennt arbeiten lassen“, erklärt Christian Buss. Er ist Lehrer am Gymnasium Riederg und verantwortet für die Schule das EU-geförderte Projekt „Memory: A Passport to the Future“ (auf deutsch etwa: Erinnerung: Ein Pass für die Zukunft). „Da die Themen, die wir hier behandeln so komplex und naturwissenschaftlich sind, wollten wir den Schülern diesen Teil des Projekts ausnahmsweise mal in ihrer Muttersprache ermöglichen“, sagt er.
Die restliche Zeit wird Englisch gesprochen, worauf sich die 13-jährige Louiza und ihr zwölfjähriger Mitschüler Floris schon seit einiger Zeit vorbereiten konnten. Beiden wurde für das Projekt ein Austauschpartner zugewiesen, mit dem sie schon vorab in regem Kontakt standen. Außerdem sind sie seit November vergangenen Jahres in virtuellen Gruppen damit beschäftigt, gemeinsam an Kurzgeschichten und Interviews zu arbeiten – alles dreht sich um Erinnerungen an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Zeitspanne spielt weder in ihrem noch im Gedächtnis ihrer Eltern und Großeltern eine besondere Rolle.
Sich damit zu beschäftigen, macht den Schülern aber dennoch großen Spaß und begeistert sie regelrecht: „Wir haben unterschiedliche Fotos aus der Nachkriegszeit bekommen, zu denen wir eine Geschichte schreiben sollten“, erklärt Louiza den Ablauf des im Herbst gestarteten Erasmus-Projekts: „Für diejenigen, die für die kreativsten und besten Geschichten ausgewählt wurden, ging es dann mit Zeitzeugeninterviews in ihren Arbeitsgruppen weiter“, sagt die 13-Jährige und erklärt, dass eine Gruppe sich aus einem Schüler des Riedberg-Gymnasiums und je einer der drei Partnerschulen zusammensetzt.
Die Hintergründe beleuchten
„Über die gesamten zwei Jahre, die das Projekt läuft, wollen wir dann den verschiedensten Fragen zum Thema Gedächtnis auf den Grund gehen“, betont David Romera. Er unterrichtet an der spanischen Partnerschule aus Valladolid Englisch. „Die naturwissenschaftlichen Hintergründe sind dabei nur ein erster Schritt. Uns geht es darum herauszufinden, ob es so etwas wie ein europäisches Gedächtnis gibt, wie verschiedene Erinnerungen auch von Land zu Land unterschiedlich verarbeitet und weitergetragen werden und welche Rolle das Gedächtnis in der Zeit von Smartphones und Internet überhaupt noch spielt“, erklärt der Spanier, dessen Schule im kommenden Mai der letzte Gastgeber der Projektreihe sein wird.
Im Oktober geht es zunächst nach Marmande, im Februar dann nach Syrakus auf Sizilien, wo überall andere Schwerpunkte behandelt werden. Dank der Förderung der Europäischen Union sind die Reisen für die Jugendlichen kostenlos.
„Da wir hier am Riedberg mit dem Max-Planck-Institut in Laufnähe der Schule die besten Möglichkeiten haben, war schnell klar, dass wir hier den naturwissenschaftlichen Hintergrund behandeln“, erklärt Buss, der für den heutigen Mittwoch mit den Schülern einen Ausflug in die Innenstadt und für Freitag einen Trip ins Rheingau geplant hat.
Am kommenden Donnerstag geht es für die Arbeitsgruppen darum, ihre ersten Interviewergebnisse zu präsentieren und mit der Diskussion zu beginnen. Denn herauszufinden, wie das mit der Erinnerung jetzt auch praktisch funktioniert, dafür interessieren sich die 28 Jugendlichen spätestens nach ihrem Einblick in das vergrößerte Mäusehirn brennend.