Archiv

Was sich aus dem Chinesischunterricht ergeben kann

ein Bericht von Julian Abb (GRB-Abiturient 2018)

01欢迎你来中国!Oder willkommen im Reich der Mitte im fernen Osten, nämlich China! Mit diesen Worten, die ich ab sofort öfters hören sollte, beginne ich diesen Artikel über ein neues Leben, weit weit weg von zu Hause. Genauer gesagt ca. 12.000km, weit weit weg von Familie und Freunden. Denn ungefähr ein ganzes Jahr werde ich in einer der größten Metropolen der Welt leben, die auf den Namen Shanghai hört. Das erste Mal alleine leben, ohne Hilfe in einem fremden Land zurechtkommen, Probleme aller Art selbst in die Hand Wie es mir bisher dabei ergeht und was ich genau im fernen Osten mache, erfahrt ihr in folgenden Zeilen!

 

Angefangen hatte alles damals während meiner Schulzeit in der achten Klasse. Die Wahlfächer wurden uns Schülern alle vorgestellt und beworben. Darunter auch das Fremdsprachen-Fach Chinesisch, woran ich sofort den Gefallen fand, chinesisch zu erlernen und hoffentlich doch auch bald sprechen zu können. Damit wagte ich das Abenteuer, eine der schwierigsten Sprachen der Welt zu lernen. Durch immer mehr Wissen und immer mehr erlernte Vokabeln stieg auch meine Inspiration und das Interesse an der Kultur und natürlich am Land China selbst. Wie leben die Menschen vor Ort? Wie sieht der tägliche Alltag aus? Im Frühjahr 2015 hatte ich die erste Chance, diese Fragen zu beantworten, da ich, zusammen mit der Schule, an einem Austauschprogramm teilgenommen hatte, welches mir eine Reise nach Guangzhou im Süden Chinas ermöglichte. Rückblickend war dies einer der schönsten Reisen und Eindrücke während meiner Schullaufbahn, welche ich nie wieder vergessen werde und welche mir einen ersten Ansatzpunkt für meine Pläne nach der Schule gegeben haben.

Bis hin zum Abitur behielt ich Chinesisch als Fach, denn viel zu sehr Spaß machte mir der Unterricht, da wir neben Grammatik und Vokabeln natürlich auch über die Kultur und das Land lernten. Und auch während meiner Zeit in der Oberstufe hatte ich mir langsam in den Kopf gesetzt, nach dem Abitur ein Jahr in China zu verbringen, um die Sprache zu lernen, die Kultur zu verstehen und vor allem in einem Land zu leben, das mal sowas von anders ist als Deutschland bzw. Europa. Eins stand vorher schon fest: Ich wollte unbedingt nach Shanghai!

Und so stand ich mit vollgepackten Koffern im Januar 2019 am Flughafen in Shanghai. Den ersten Eindruck bekam ich auf dem Weg in meine neue Wohnung im Stadtzentrum. 24 Millionen Einwohner, eine der modernsten Städte Chinas, Wirtschafts- und Finanzzentrum des Landes, international und kulturell breit gefächert - Willkommen in einer neuen Welt der Superlative! Überall Hochhäuser, überall Menschenmassen, überall verschiedene Gerüche nach Essen und Sonstigem. Wer denkt, die Stadt würde in einem Chaos enden, der täuscht sich, denn, bis auf den miserablen Fahrstil auf den Straßen, läuft zu meiner Verwunderung alles sehr geordnet und reibungsfrei ab. Typisch chinesisch wohne ich im Stadtteil Pudong in einem riesigen Wohnturm und Komplex im 25. Stock mit genialer Aussicht auf die Stadt.
Nachts erstrahlt die Stadt in allen möglichen Variationen von Lichtern, überall blinkt und leuchtet es, es kommt Musik aus den Läden, Nachtmärkte mit allerlei Essen schmücken die engen Gassen und Familien essen mit Freunden und Nachbarn draußen auf der Straße ihr wohlverdientes Abendessen.

Das Shanghaier Leben ist aufregend und wild, total anders als mein altes Leben in Deutschland, beeindruckend und doch sehr anstrengend zugleich. Dennoch polarisiert diese Stadt mit Charme und Ost-/Westlichkeit wie kaum eine andere dieser Welt, mein lieb genanntes ,,New York des Ostens''. Hier treffen zwei unterschiedliche Weltansichten, nämlich die westliche Sehnsucht des Bürgers und der chinesische Kommunismus, und viele verschiedene Kulturen bzw. Religionen aufeinander und vereinen sie zu einer besonderen, neuen und einzigartigen Lebensweise, nämlich der aus der Welt von Shanghai. Klar, hier findet ein Tourist nicht das ,,ursprüngliche China’’, wie es einmal vor 1000 Jahren existierte, aber meiner Meinung nach findet ein Tourist in Shanghai eine Stadt, die Moderne mit Vorbildcharakter und Tradition gleichzeitig kombiniert. Eine Stadt, in der Menschen aus aller Welt friedlich zusammenleben und den Traum eines erfolgreichen Lebens näherkommen können!

Die ersten Wochen verliefen natürlich nicht wie geschmiert. Wer hier zurechtkommen will, der braucht definitiv gute und viele Nerven. Neues Land, neue Gewohnheiten, eine völlig andere Kultur und natürlich eine andere Sprache. Auch wenn man chinesisch im Unterricht lernt und einigermaßen anwenden kann, so ist es und war es doch sehr schwierig, sich am Anfang zu verständigen und den Durchblick beizubehalten, da die meisten Chinesen kein Englisch sprechen können. Dazu ist man auf sich zu 100% alleine gestellt, keine Eltern oder Freunde, die eventuell helfen könnten. Von Zeit zu Zeit legen sich allerdings diese Probleme, da man lernt, mit seinen Umständen umzugehen. Aller Anfang ist halt eben schwer, besonders in China.

Mein Alltag in Shanghai in der Regel von Stress geprägt. Das beginnt schon morgens auf dem Weg zur Uni oder ins Büro, wenn 24 Millionen Menschen und ich zur Rushhour gleichzeitig mit der Metro in die Innenstadt fahren wollen. Obwohl der öffentliche Nahverkehr hier Vorbildcharakter hat, alle zwei Minuten die U-Bahnen in die Stationen einfahren und Deutschland sich in dieser Hinsicht eine Scheibe abschneiden könnte, bestimmen randvolle Busse und Züge, wie man es aus zahlreichen Videos kennt, das Stadtbild. Dazu verstopfte Straßen und kaum verfügbare Taxis. In der Stadt selbst wuselt es nur so von Menschen, die sich ihren Weg durch die Massen bahnen. Überall fahren Mofas und E-Roller wie wild umher und hupen Passanten aus dem Weg, teilweise mit riesigen Ladungen auf dem Gepäckträger. Und der generelle Geräuschpegel ist nicht annähernd zu vergleichen mit dem der deutschen Städte. Abschalten und dem hektischen Alltag ,,entfliehen’’ kann man eigentlich nur in den zahlreichen, kleinen chinesischen Parks, die oft mit Tempeln, Seen und Gartenanlagen versehen sind. Hier treiben viele Chinesen traditionellen Sport wie Qigong oder Tai Chi. Ältere Menschen treffen sich in den Parks auch ganz gerne zum Tanzen oder zum Brettspiele spielen, um sich so die Freizeit zu vertreiben.

Bezahlt wird übrigens in China kaum noch mit Bargeld. Apps wie WeChat-Pay, Alipay oder Apple-Pay haben den Markt bereits längst erobert und zum Bezahlen von fast allen Sachen halte ich mein Handy, auf dem sich ein QR-Code meiner Bankdaten befindet, über den Scanner des Verkäufers. Eine der größten Umstellungen für mich, während wir doch in Deutschland das Bargeld lieben.

Neues Land bedeutet auch neues Essen, was anfangs sehr gewöhnungsbedürftig war. Sehr viel Reis, sehr viel Fleisch und Gemüse zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen, heißes Wasser oder grüner Tee als Beilage. Wer typisch regional und chinesisch Essen gehen möchte, dem bietet Shanghai aber eine riesige Auswahl grandioser Küchen aus allen Regionen Chinas an! Von Teigtaschen über Hähnchen Süß-Sauer, vom gegrillten Fleisch über Nudeln in Soja-Sauce, bis hin zu eingelegtem Gemüse und Rindfleisch - hier findet sich definitiv immer etwas Leckeres! Gerade auf Shanghai’s Nachtmärkte, wo man sich von Stand zu Stand durch die kulinarischen Leckereien wie frittiertes Tofu oder gegrillte Insekten durchprobieren kann. Doch durch den großen Zeitmangel, gerade unter Woche, bestellen sich, dazu gehöre auch teilweise ich, viele Chinesen das Essen und sonstige Lebensmittel per App direkt nach Hause, was in Shanghai und generell China mittlerweile völlig normal ist. Einfach, günstig, schnell.

Und natürlich ist die Pollution, die Luftverschmutzung ein großes Thema in der Megametropole. Gerade im Winter und Frühjahr hat die Stadt mit massiven Umweltproblemen und Smog zu kämpfen. Und Shanghai ist noch nicht einmal die schlimmste Stadt in Sachen Luftverpestung. Mit einer App kann man Tag für Tag nachschauen, wie es um die Luftqualität steht, die aber auch an guten Tagen nicht die Gesündeste ist. Schon oft gab es während meines Aufenthaltes Zeiten, an denen man kein einziges Hochhaus oder die Fassade des gegenüberliegenden Hauses gesehen hat, sondern nichts außer Nebel und Smog. Um sich einigermaßen zu schützen, tragen viele Einwohner in solchen Situationen Atemmasken, da man sonst kleinste Feinstaub-Partikel ungeschützt einatmen würde. Zu kaufen gibt es diese fast in jedem kleinen Einkaufsladen. Schon seit Jahren versuchen die Behörden die Luft durch E-Mobilität zu verbessern, schaffen aber nur geringen Fortschritt.

Doch was genau mache ich hier? Vor Ort besuche ich hauptsächlich eine private Sprachschule und arbeite nebenbei mit einem Verband zusammen, der sich für den stärkeren Austausch zwischen chinesischen und deutschen Schülern einsetzen. So besuche ich zum Beispiel viele Schulen in China, die Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache anbieten, um sie im Unterricht zu unterstützen, meist viele Fragen aller Art zu beantworten und um ihnen zu helfen, später einmal in Deutschland zu studieren oder sogar zu leben. Gerade aber durch den Kontakt mit vielen Chinesen, das ständige Sprechen im Land und die Unterstützung durch die Sprachschule merke ich, wie schnell sich das Chinesisch in kurzer Zeit mehr und mehr verbessert. Es macht natürlich auch Spaß und motiviert unglaublich, wenn man merkt, dass man immer mehr versteht und bessere Konversationen führen kann.

Bis Ende des Jahres werde ich also noch in Shanghai leben. Und auch wenn nicht alles ganz so schön wie in meiner Heimat ist und ich sehr viele Sachen in Deutschland vermisse, eine Lebenserfahrung ist es allemal, die mir keiner mehr nehmen kann. China als aufstrebende Wirtschaftsmacht in der Welt, der Karriere einen Feinschliff geben, die chinesische Sprache und Kultur erlernen und der Schritt in die Selbstständigkeit haben mich schließlich dazu bewegt, diesen waghalsigen Schritt nach dem Abitur im Sommer 2018 zu gehen. Und genau deshalb kann ich heute schon behaupten, dass sich der Auslandsaufenthalt in Shanghai gelohnt hat! Zaijian, 再见!

Julian Abb  Shanghai, 15.05.2019

Warnung: Keine Bilder im angegeben Ordner vorhanden. Bitte Pfad kontrollieren!

Debug: angegebener Pfad - https://www.gymnasium-riedberg.de/images//bilder/chinesisch/2019/bericht_jul/

 

 

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.