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Beschäftigung mit den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges – Ist das 75 Jahre nach Kriegsende möglich?
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Beschäftigung mit den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges – Ist das 75 Jahre nach Kriegsende möglich?

Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse gab die Autorin Kirsten Boie am 20. Oktober einigen Schulklassen einen Einblick in ihren Roman „Dunkelnacht“, der mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde. Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung erfolgte durch das „Haus am Dom“, federführend durch die dortige Studienleiterin Frau Dr. Lisa Straßberger, die die Lesung auch moderierte. Zu Gast war ebenfalls Heinz-Günter Bongartz, Weihbischof in Hildesheim und Mitglied der Publizistischen Kommision der Deutschen Bischofskonferenz.

 

Das Los hatte entschieden, welche der angemeldeten Gruppen von Jugendlichen die Lesung besuchen durften. Darunter war auch unser Deutsch-Grundkurs unter der Leitung von Frau Conrad.

Anhand der drei fiktiven Jugendlichen Schorsch, Gustl und Marie werden in diesem Roman die realen historischen Ereignisse der Endphasenverbrechen des Zweiten Weltkrieges in der Stadt Penzberg erzählt. Während Marie auf die bevorstehende Befreiung der Deutschen wartet und die freiheitlich-demokratischen Ansichten ihrer Familie teilt, scheint Schorsch dem Naziregime zugehörig. Auch Gustl unterstützt das nationalsozialistische Gedankengut und tritt, um – wie er meint - die Ehre seiner kommunistischen Familie wiederherzustellen, den Werwölfen bei. Diese Gruppierung war eine militante Spezialeinheit mit dem Plan, härter als das Militär die Ziele des Regimes durchzusetzen. Die zwei männlichen Jugendlichen hegen jeweils für sich Gefühle gegenüber Marie.

Angesichts der herannahenden Truppen der Alliierten gibt es in Penzberg durch einige Bürger Bemühungen, die Stadt friedlich den Amerikanern zu übergeben, um weiteres Sterben zu verhindern. In diesem Zuge sprechen sie sich auch gegen die Umsetzung des Nero-Befehls aus. Dies war ein Befehl Hitlers, alle deutschen Versorgungseinrichtungen und Wirtschaftsstätten selbst zu zerstören, damit die Feinde nicht davon profitieren könnten. Durch den Druck von Seiten des Militärs und der Werwölfe, dem die Stadtbewohner ausgesetzt sind, eskaliert die Situation und die drei Jugendlichen geraten zwischen die Mühlen.

Kirsten Boie las insgesamt drei Auszüge aus unterschiedlichen Teilen ihres Jugendromans vor. Sie rundete diese Lesungen durch Zusatzinformationen ab, wie etwa, dass alle Handlungen, abgesehen von den drei Jugendlichen, wirklich so geschehen seien. Im Anschluss daran hatte das Publikum die Möglichkeit, persönliche Fragen an Kristen Boie zu stellen. Sie berichtete uns, den Ort Penzberg gewählt zu haben, da sie bei der Lektüre über Endphasenverbrechen auf die geschichtlichen Hintergründe in dieser Stadt gestoßen sei, die sie besonders schockierend gefunden habe. Die Suche nach Quellen und weiteren Informationen über Penzberg seien allerdings durch den Beginn der Corona-Pandemie und ihre Maßnahmen erschwert worden. Anders als sonst war es Frau Boie nicht möglich, im Stadtarchiv zu recherchieren und sich einen eigenen Eindruck der Straßen, Häuser oder auch Denkmäler des Ortes zu verschaffen. Aber als ihr die Unterlagen des Stadtarchivs postalisch zukamen, konnte sie sich diesen umfassender widmen als sonst, da in dieser Zeit viele Lesungen coronabedingt abgesagt werden mussten.

In dem Roman „Dunkelnacht” wird das Gewissen der Leserschaft angesprochen und daran appelliert, auch unter sozialem Druck moralisch richtig zu handeln. Auf die Frage an Frau Boie, ob sie sich gegen das Nazi-Regime aufgelehnt hätte, antwortete sie, nicht zu wissen, wie sie unter Todesangst gehandelt hätte. Auch die Zuhörer*innen waren sich hierbei unsicher.

Die historischen Personen in dem Jugendroman sind wahrheitsgemäß benannt. Aus dem Publikum wurde daher die Frage gestellt, ob dies wirklich nötig gewesen sei. Kirsten Boie erklärte, dass sie es vor allem für die Opfer tat. 75 Jahre seien lange genug, um die Namen zu verschweigen, und nach solch einer Zeit müsse es möglich sein, auch die Täter namentlich zu nennen. Zwei Klassen des Penzberger Gymnasiums haben das Werk im Unterricht behandelt. Eine dritte Lehrkraft nahm von dem Plan Abstand, da sie befürchtete, in der Gemeinde könnten alte Wunden aufbrechen. Dies zeigt, dass die Aufarbeitung von geschichtlichen Ereignissen emotional heikel sein kann, auch wenn sie sicherlich notwendig ist. Wenige der bei der Lesung anwesenden Jugendlichen hatten im Geschichtsunterricht von den Endphasenverbrechen gehört. Insofern zeigt sich, wie sinnvoll eine Beschäftigung mit dieser Epoche der deutschen Geschichte ist. Der Roman trägt dazu auf literarische Weise bei.

Yella Dahinden, Deutsch-Grundkurs Q1 des Gymnasium Riedberg